Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14. April 2015 (VI R 89/13) entschieden, dass Finanzämter die von einem Krankenversicherer nicht übernommenen Arzneimittel-Aufwendungen im Sinne des Arzneimittelgesetzes als außergewöhnliche Belastung berücksichtigen müssen, wenn die Medikation einer Krankheit geschuldet und deshalb ärztlich verordnet wurde. Dem Abzug steht nicht entgegen, dass ein Steuerpflichtiger wegen dieser Krankheit zugleich eine Diät halten muss.
Eine Frau und spätere Klägerin litt unter einer chronischen Stoffwechselstörung und nahm deswegen ärztlich verordnete Vitamine und andere Mikronährstoffe ein. Die Kosten für diese Präparate übernahm ihr Krankenversicherer nicht, so dass sie diese in ihrer Einkommensteuererklärung als Krankheitskosten und somit als sogenannte außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG geltend machte.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass es sich bei Vitaminen und anderen Mikronährstoffen grundsätzlich um Diätverpflegung handele, die nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könne.
Nachdem sie mit ihrem Einspruch unterlag, zog die Frau vor Gericht. Das erstinstanzlich mit dem Fall befasste Finanzgericht stellte sich auf den Standpunkt des Finanzamts und wies die Klage als unbegründet zurück. Die Klägerin erzielte mit ihrer beim BFH eingelegten Revision einen Etappensieg.
Der BFH vertrat die Auffassung, dass das Finanzgericht die grundlegende Feststellung, ob es sich bei den der Klägerin verordneten Präparaten um Nahrungsergänzungs-Mittel im Sinne von § 1 NemV (Verordnung über Nahrungsergänzung-Mittel) und somit um Lebensmittel oder aber um Arzneimittel handelt, nicht getätigt habe.
Das Abzugsverbot im Sinne von § 33 Absatz 2 Satz 3 EStG, wonach Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, gelte nur für Aufwendungen für Diätlebensmittel, nicht aber für Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes, welche nämlich keine Lebensmittel seien. Sie werden somit nicht zur Diätverpflegung im Sinne des Einkommensteuer-Gesetzes gezählt – und zwar auch dann nicht, wenn sie während einer Diät eingenommen werden.
Aufwendungen dafür sind vielmehr als Krankheitskosten nach § 33 Absatz 1 EStG zu berücksichtigen, wenn ihre Einnahme einer Krankheit geschuldet und die Zwangsläufigkeit (medizinische Indikation) der Medikation durch ärztliche Verordnung nachgewiesen ist. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige wegen dieser Krankheit zugleich eine Diät halten muss, steht dem nicht entgegen.
Nach richterlicher Überzeugung hat das Finanzgericht die streitigen Präparate allein wegen der darin enthaltenen Inhaltsstoffe als Nahrungsergänzungsmittel eingestuft und dabei verkannt, dass sich der Lebensmittelkontrolle unterliegende Nahrungsergänzungsmittel von den zulassungspflichtigen Arzneimitteln nicht durch die Inhaltsstoffe, sondern durch die pharmakologische Wirkung unterscheiden.
Deswegen hat das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang zu klären, ob es sich bei den eingenommenen Präparaten - wie von der Klägerin dargestellt - tatsächlich um ärztlich verordnete Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes handelt. Sofern das der Fall ist, muss der Klage stattgegeben werden.