Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14) entschieden, dass der Versicherungsnehmer bei einem Widerspruch einer nach dem Policenmodell abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherung die mit seinen Investments inzwischen erwirtschafteten Kursrückgänge selbst tragen muss.
Der BGH hatte dieses Policenmodell mit Urteil vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13) unter der Voraussetzung gebilligt, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG (alte Fassung) ordnungsgemäß belehrt wurde. Ansonsten können Versicherte aus dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung die Rückzahlung der für Lebens- beziehungsweise privaten Rentenversicherung sowie deren Zusatzversicherungen gezahlte Beiträge einschließlich einer angemessenen Verzinsung verlangen, entschied der BGH mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11). Die anteiligen Abschluss- und Verwaltungskosten darf der Versicherer dabei nicht einbehalten, so das Gerichtsurteil vom am 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14) .
Der BGH entschied in seiner jüngsten Entscheidung zu dem Thema wie folgt:
„1. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. muss sich der Versicherungsnehmer bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass die Fonds, in die die Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt worden sind, Verluste erwirtschaftet haben.
2. Der Versicherungsnehmer kann nur vom Versicherer tatsächlich gezogene Nutzungen herausverlangen und trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Er kann seinen Tatsachenvortrag nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe stützen.“
Das Verlustrisiko aus der Anlage der Sparanteile trage nicht mit Blick darauf, dass der Lebensversicherungsvertrag nach dem wirksam erklärten Widerspruch rückwirkend und nicht erst ab der Widerspruchserklärung rückabzuwickeln ist, der Versicherer. Die mit Gewinnchancen, aber auch mit Verlustrisiken behaftete – Kapitalanlage ist für den Versicherungsnehmer neben der Risikoabsicherung ein zentraler Aspekt, wenn er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entscheidet. Dies rechtfertigt grundsätzlich die Zuweisung des Verlustrisikos zuzuweisen, wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss.
Der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers stehe dem nicht entgegen. Es widerspricht dem europarechtlichen Effektivitätsgebot nicht, wenn der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages widersprechen kann, aber Fondsverluste tragen muss. Das Widerspruchrecht wird nicht entwertet, wenn die Verluste nur einen geringen Teil der Sparanteile ausmachen.“
Daher trägt der Kunde, der mit Beginn 1. September 1999 eine fondsgebundene Lebensversicherung mit dynamischer Erhöhung abgeschlossen hatte, entstandene Verluste.
Im Mai 2013 hatte der Versicherungsnehmer den Widerspruch der Police erklärt, nachdem er 11.833 € Beiträge gezahlt hatte. Diesen Widersprich erkannte der Versicherer nicht an, sondern betrachtete den Vertrag als zum 1. Juli 2013 gekündigt und zahlte das Fondsvermögen in Höhe von 8.582 € aus.
Vor Gericht unterlag der Versicherer, da der Widerspruch aufgrund einer unzureichenden Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein nicht verfristet und damit zulässig war. Hintergrund war, dass die Rechtsvorgängerin der beklagten Versicherung es versäumt habe, die auf der Rückseite der Versicherungspolice enthaltene Belehrung über das Widerspruchsrecht drucktechnisch deutlich zu gestalten. Diese war – anders als die allgemeine Überschrift ‚Widerspruchsrecht‘ – nicht durch Fettdruck und auch nicht in sonstiger Weise vom übrigen Text abgehoben. Da die anschließende Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5 VVG a.F. fettgedruckt war, wurde von der (nicht hervorgehobenen) Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. abgelenkt.
Bei der Erkenntnis, dass das Widerspruchsrecht noch bestand, bezog sich der BGH auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Dezember 2013 (C-209/12); welcher festgestellt hatte, dass die Befristung des Widerspruchsrechts auf ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie dem europäischen Recht widerspricht. Daher darf der Lebensversicherer die anteiligen Abschluss- und Verwaltungskosten mit dem Fondsvermögen nicht verrechnen und nur den Risikoanteil von 410 € einbehalten.
Das OLG Köln (20 U 96/14) muss als Berufungsgericht die Höhe der Verluste der Fondsanlage feststellen.