Ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ist für Familien und pflegende Angehörige enorm wichtig, erhält aktuell aber wenig Beachtung. Am 23. September 2020 hat das Bundeskabinett eine Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts beschlossen: Sie ist damit auf einem guten Weg, schon bald in deutsches Recht übersetzt zu werden. Ein Überblick, was sich ändern soll.
Vormundschaftsrecht: Mehr Mitsprache für betroffene Kinder
Wenn Kinder von ihren Eltern weggenommen und in eine Pflegefamilie gegeben werden, ist das oft bitter und traurig für alle Beteiligten - aber oft auch mit Blick auf das Kindeswohl unvermeidlich. Umso wichtiger ist es deshalb, dass hier klare Gesetze und Regeln wirken, die das Wohl aller im Blick haben: sowohl der betroffenen Eltern, der Kinder und der Pflegefamilien.
Deshalb ist es begrüßenswert, dass die Bundesregierung eine Reform des Vormundschafts-Rechts angeschoben hat. Denn die aktuelle Version stammt zum Großteil noch aus dem Jahr 1896. Man muss wohl nicht betonen, dass damals ganz andere, autoritärere Ideen zum Kindeswohl vorherrschten. Umso mehr zielt die Reform darauf ab, die Rechte des Kindes bzw. Mündels zu stärken.
Einige Dinge, die nun erstmals festgeschrieben werden, scheinen heute selbstverständlich. So soll dem betreuten Kind das „Recht auf Förderung seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ eingeräumt werden. Auch auf „persönlichen Kontakt mit dem Vormund“ und auf die „Achtung seines Willens“ hat es künftig Anrecht. Mit anderen Worten: Die Kinder erhalten mehr Mitspracherecht. Das geht soweit, dass sie mit 14 Jahren fordern können, die aktuelle Betreuungssituation und mögliche Meinungsverschiedenheiten von einem Jugendgericht klären zu lassen.
Neu strukturiert werden soll auch die Vergütung. So wird laut Referenten-Entwurf gesetzlich zwischen berufstätigen und nicht berufstätigen Vormündern und Betreuern unterschieden. Ersterem sind u. a. das Jugendamt, Behörden und professionelle Pädagogen zuzuordnen, die über das Kind mitentscheiden. Zu letzteren zählen in der Regel Pflegefamilien.
Was den nicht berufstätigen Vormündern an Vorschuss, Aufwendungsersatz und Aufwandsentschädigung sowie auf Ermessensvergütung zusteht, soll künftig im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden (BGB §§ 1835, 1835a, 1836, 1908 i). Die Vergütungs-Ansprüche der beruflich Tätigen finden sich hingegen im Vormund- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG).
Reform des Betreuungsrechts: Ehegatten werden gestärkt
Ebenfalls wichtig ist die angedachte Reform des Betreuungsrechts, das noch nicht ganz so alt ist: Es wurde 1992 eingeführt. Hier geht es vereinfacht um die Frage, wer eine erwachsene Person betreuen und Entscheidungen für sie (mit)treffen darf, wenn jemand das selbst nicht mehr kann, etwa aufgrund einer Demenz oder wenn man im Koma liegt.
Wichtig ist dieses Thema schon deshalb, weil viele Familien nicht wissen, welche Konsequenzen hier drohen. Viele Deutsche gehen davon aus, dass in solchen Notsituationen automatisch der Ehe- bzw. Lebenspartner oder die Angehörigen entscheiden dürfen. Das ist aber mitnichten so, denn das Selbstbestimmungsrecht greift auch gegenüber den Ehe- und Lebenspartnern. So kann es sein, dass der Partner plötzlich nicht mehr auf das Geld des Betroffenen zugreifen oder Entscheidungen treffen kann - und im schlimmsten Fall gar durch ein Gericht eine fremde Person als Betreuer eingesetzt wird.
Hier sieht der Gesetzentwurf deutliche Verbesserungen vor. Ehegatten sollen sich in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für die Dauer von drei Monaten gegenseitig vertreten können, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge vorübergehend rechtlich nicht besorgen kann. Doch auch nach Inkrafttreten bleibt das Problem bestehen, denn dieses Recht gilt nur befristet. Hier kann mittels einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung vorab geregelt werden, wer im Ernstfall entscheiden darf.
Auch die Reform des Betreuungsrechts zielt darauf, die Interessen und Wünsche des Betreuten besser als bisher zu berücksichtigen. Eine gerichtliche Betreuung soll deshalb „in erster Linie eine Unterstützung des Betreuten bei der Besorgung seiner Angelegenheiten durch eigenes selbstbestimmtes Handeln“ gewährleisten, berichtet die Bundesregierung. Stärker als bisher soll zudem darauf geachtet werden, dass nur dann ein gerichtlicher Betreuer eingesetzt wird, wenn das unbedingt notwendig ist.
Gestärkt werden sollen zudem Betreuungsvereine. Sie erlauben, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen stärker als bisher auf ehrenamtliche Unterstützung zurückgreifen. Auch soll ein formales Registrierungsverfahren mit persönlichen und fachlichen Mindesteignungs-Voraussetzungen für berufliche Betreuer einführt werden, um die Qualität der Pflege zu erhöhen.