Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit Urteil vom 19. Dezember 2016 entschieden (6 U 104/15), dass ein Tierarzt, der sich zur Behandlung eines Fohlens in eine offensichtlich zu kleine Pferdebox begibt und dabei von dem Muttertier verletzt wird, für einen Teil seines dabei entstandenen Schadens selbst aufkommen muss.
Ein Tierarzt und späterer Kläger war von einem Hobbypferdezüchter gerufen worden, um ein unter Durchfall leidendes drei Wochen altes Fohlen notfallmäßig zu behandeln, welches zusammen mit seiner Mutter in einer nur 3,18 x 3,15 Meter großen Pferdebox stand.
Zwar hatte der Pferdehalter die Mutterstute mit ihrem Kopf in einer der Ecken der Box fixiert. Als der Tierarzt jedoch den Verschlag betrat und sich dem Fohlen näherte, um es zusammen mit dem Pferdezüchter aus der Box zu holen, schlug das aufgebrachte Muttertier so weit nach hinten aus, dass der Kläger schwer verletzt wurde.
Der Tierarzt machte in seiner anschließenden gegen den Pferdehalter eingereichten Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage ausschließlich diesen für den Vorfall verantwortlich, da er wegen der für Veterinäre geltenden Berufsordnung zur Behandlung des erkrankten Jungtieres verpflichtet gewesen sei. Inhalt dieser Verpflichtung sei auch, dass er dem Züchter bei dem Ausführen des Fohlens aus der Pferdebox habe helfen müssen. Im Gegensatz zur Meinung des Tierhaftpflicht-Versicherers des Pferdehalters treffe ihn daher kein Mitverschulden.
Die OLG-Richter gaben der Klage überwiegend unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von ¼ statt.
Die Richter bezweifelten nicht, dass sich in der Verletzung des Klägers eine typische Tiergefahr verwirklicht habe, für welche der Pferdezüchter aufgrund der Gefährdungshaftung hafte.
Der Kläger habe vor dem Betreten der Pferdebox aber erkennen können und müssen, dass diese für beide Pferde zusammen erheblich zu klein war. Ferner hätte er erfassen können und müssen, dass die fixierte und sichtlich erregte Stute jederzeit so weit ausschlagen konnte, dass eine Verletzung der beteiligten Personen nicht ausgeschlossen werden konnte.
Als Veterinär habe der Kläger darüber auch erwarten müssen, dass sich die Stute gegen das Trennen von ihrem Fohlen wehren werde. Deswegen habe er die Pferdebox nicht ohne weiteres betreten dürfen, zumal zum Trennen der beiden Tiere deutlich risikoärmere Methoden zur Verfügung gestanden hätten.
Unter Berücksichtigung und Gewichtung der beiderseitigen Verschuldensanteile hielt das Gericht eine Haftungsquote von 3/4 zu 1/4 zulasten des Pferdehalters für angemessen.